Milliardeninvestitionen, Ferienpolitik und Jagddebatten prägen die Sommerzeit
- Jost Springensguth
- vor 6 Tagen
- 7 Min. Lesezeit

Liebe Leserin, lieber Leser,
wir schauen üblicherweise in dieser Wochenbetrachtung samstags erst einmal kommentierend auf die Politik, konzentrieren uns dabei auf ländliche Regionen und greifen einzelne Themen auf. In der Urlaubszeit gibt es vielleicht Aufreger wie das von Protesten begleitete ARD-Interview mit Alice Weidel. Die politischen Beobachter haben derzeit überwiegend nur typische „Sommerthemen“ im Auge. So picken wir uns im weiteren Text diesmal unter anderem raus, was die Ferienordnungen mit dem Landleben zu tun haben. Oder wie die Folgen von Landesjagdgesetzen bei angestrebten Veränderungen in den Revieren auf Betroffenheit treffen. Mit einem kleinen Ausflug nach England runden wir die nachfolgende Kolumne ab.
Der politische Betrieb wechselt langsam in eine Ruhe- und vielleicht auch Erholungsphase. Der Kanzler hat in dieser Woche aus seinem spektakulär vorbereiteten Treffen mit Wirtschaftsführern Investitionszusagen von über 600 Milliarden durch Großunternehmen mitgenommen. Für ihn sei das ein Vertrauensbeweis in den Wirtschaftsstandort und belege den Stimmungswechsel in Deutschland. Der Initiative „Made for Germany“ gehören 61 Unternehmen verschiedener Branchen an. Etwas zurückgesetzt fühlen sich – wie man so hört – viele mittelständische Unternehmen, von denen zahlreiche in ländlichen Regionen ansässig sind. Natürlich geht auch für sie Signalwirkung von dem Treffen im Kanzleramt aus.
Die Debatten auf politischer Ebene und darüber, wie andere angekündigte Milliarden aus dem sogenannten Sondervermögen „Infrastruktur und Klimaneutralität“ Wirkung entfalten können, halten derweil an. In den Bundesländern wird gerade hochgerechnet, was vom schuldenfinanzierten Anteil bei den Ländern und Kommunen in Höhe von 100 Milliarden am Ende „unten“ ankommt und wie das Geld im Detail weiter verteilt wird. Im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW geht man von über 20 Milliarden aus, etwa 15 sollen nach Bayern fließen und Niedersachsen rechnet mit knapp 10 Milliarden. Das sind nur einige Beispiele. In Mainz soll durch einen Parlamentsbeschluss beispielsweise bereits ein „Rheinland-Pfalz-Plan für Bildung, Kultur und Infrastruktur“ mit einem Volumen von 4,8 Milliarden entstehen. Mit den Kommunen, der Wirtschaft und den Gewerkschaften werden dort aktuell die wichtigsten Zukunftsprojekte des Landes definiert. Das Motto heißt überall: Tempo machen. Das gilt also auch in Ländern wie Mecklenburg-Vorpommern (1,9 Milliarden), Berlin (5,2), Bremen (0,9), Brandenburg (3), Sachsen (4,8) und Sachsen-Anhalt (2,6). Im kleinsten Flächenland Schleswig-Holstein wird gerade darüber diskutiert, wie viel der 3,4 Milliarden in den Kommunen ankommen kann. So umstritten die Finanzierung ist, so wirksam soll sie gleichwohl in der Breite werden. Also: abwarten.
Was hat heute Erntearbeit mit der Planung von Schulferien zu tun?
Mit dem ländlichen Raum wurde in dieser Woche eine hitzig wirkende Debatte unter den Länderchefs in Verbindung gebracht. Es geht um die jährliche Festlegung der Schulferien als schönste und erlebnisreichste Zeit für viele Familien. Es ist schon ein Ritual, dass sich alle Bundesländer außer Bayern und Baden-Württemberg wechselnd abstimmen, um etwas zu vermeiden, was man in Anlehnung an die Bankensprache auch „Klumpenrisiko“ nennen könnte. Es geht um die Vermeidung von übermäßigen Anhäufungen von Touristen an Urlaubsorten, in Warteschlangen auf Autobahnen und an Flughäfen. Die Zeit der Schulferien soll durch eine regelmäßige Planungsvereinbarung der Kultusminister für einen Zeitraum zwischen Mitte Juni und September so entzerrt werden, dass sich das Land nicht gleichzeitig entleert, wie wir etwa in Frankreich beobachten können. Jetzt wird für den nächsten Abstimmungszeitraum die Frage auf die Tagesordnung genommen, warum sich die beiden südlichen Bundesländer partout weiter nicht in das rollierende System der Ferientermine einreihen wollen.
Die bisherige Praxis geht zurück auf das „Hamburger Abkommen“ aus dem Jahre 1964. Die beiden Südländer machten dabei geltend, dass dort die Familien und insbesondere die Kinder auf dem Lande bei der Ernte helfen müssen und dafür statt zur Schule vom August bis in den September hinein auf die Äcker zu gehen haben. Kartoffeln sammeln, Getreide binden, Garben aufladen war damals noch zeitgemäß für diese Ansage, die zum Argument der Ausnahme für die Südländer herhalten musste. Heute erledigen das Vollernter und Mähdrescher im großen Stil – oft durch Lohnunternehmen. Und wo Saisonarbeit gefragt ist, treten in der Regel inzwischen Osteuropäer in Aktion. In der aktuellen Wirklichkeit dürfen auch in Bayern und Baden-Württemberg ihre Kinder die Sommerzeit wohl so genießen, wie Ferien eigentlich zur Erholung nun einmal gedacht sind. Übrigens haben Bundesländer wie Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg oder Nordrhein-Westfalen ähnliche Agrarstrukturen. Gleichwohl beteiligen sich die beiden Südländer bis heute nicht an der Ferienabsprache. Inzwischen geht’s nicht mehr um die Arbeit auf den Äckern, sondern im Zeitalter des Massentourismus um Preisvorteile in der Nebensaison. Diese Erkenntnis hat die Schulministerin in NRW, Dorothee Feller, auf den Plan gebracht: „Wir hätten auch gerne mal einen späteren Ferienstart.“ Das traf sofort auf den erbitterten Widerstand von Markus Söder: Der „Ferienrhythmus ist fest in der DNA der Bayern drin“. Basta. Da Beschlüsse in der Kultusministerkonferenz mit Verbindlichkeit einstimmig fallen müssen, werden die Nord-, West- und Ostlichter weiter mehr zu bezahlen haben, wenn es für Familien mit Schulkindern (und auch Lehrerinnen und Lehrer) in den Sommerurlaub geht.
Netzwerkerinnen als Rückgrat auf dem Lande
Diese ganze Diskussion hat auch etwas mit Strukturen und der Soziologie des ländlichen Raums und den Veränderungen im Laufe der Jahre zu tun. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat einmal diesen Wandel vor Landfrauen beschrieben, als er sie so begrüßte: „Liebe Ernährungsfachfrau und Equal-Pay-Beraterin, Bäuerin und IT-Influencerin, Existenzgründerin und Mutter, Kommunalpolitikerin und Ehrenamtlerin, Vereinskollegin und Nachbarin – ich könnte in dieser Aufzählung noch eine ganze Weile fortfahren, um alle hier Anwesenden anzusprechen.“ Alte Klischees über das Leben auf dem Lande passen also nicht mehr. Steinmeier drückte das so aus: Das Alltagsleben hat sich geändert. Die Landfrauen sind Netzwerkerinnen, die sich nicht nur um ihre Familien kümmern, sondern ein „Rückgrat im ländlichen Raum“ bilden. Das Thema sei: Einmischen und Einbringen. Somit hat sich also nicht nur mit Blick auf die Familienarbeit auf den Feldern, sondern insgesamt das Gefüge im ländlichen Raum entwickelt.
Themen, die aus der Jagd interessieren
Was ist eigentlich mit dem Goldschakal auf Sylt? Das OVG Schleswig hat die Abschussgenehmigung erteilt. Seitdem wurde das Raubtier, das ca. 100 Lämmer auf der Insel getötet haben soll, nicht mehr gesichtet. Wie auch immer ist dieses Thema des Verhaltens dieses einzelnen bestätigten Goldschakals nach vielen Schlagzeilen und Berichten in der Region damit wohl erledigt. Nicht jedoch für die klagende Naturschutzinitiative aus Rheinland-Pfalz, die in einer Mitteilung nach dem Beschluss des OVG ankündigt, man werde die Klage weiterführen. Wenn es sein müsse, bis zum Bundesverwaltungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof. Das ist dann offensichtlich noch ein langer juristischer Weg…
Im Zusammenhang oder in Folge der aktuellen Diskussionen über neue Landesjagdgesetze wie etwa in Rheinland-Pfalz und entsprechenden Überlegungen im Saarland gibt es fortgesetzt weitere Debatten, die das Thema Wald und Wild betreffen. Ausgangspunkt neuer Regelungen sind Bestrebungen aus dem Forst, dem Wald mit möglichst wenig Wild wieder auf Stämme zu helfen. Wir sind in unserem Blog mehrfach darauf eingegangen.
Anlässlich des Jubiläums zum 150-jährigen Bestehen jagdlicher Organisationen in Baden-Württemberg kündigte der Minister für „Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz“, Peter Hauk (CDU), Jagdzeitänderungen beim Rehwild an. Darüber wird in der aktuellen Ausgabe des Magazins des dortigen Landesjagdverbandes berichtet. So soll die Jagdzeit bereits einen Monat früher als aktuell am 1. April beginnen; vom 16. Juni bis zum 15. Juli soll dann eine Jagdpause verordnet werden und das Ende der Jagdzeit auf den 15. Januar vorgezogen werden. Aber: Im Rahmen von Gesellschaftsjagden soll mit Genehmigung die Jagd auf Rehwild bis Ende Januar möglich sein. Es geht am Ende um das Ernährungsverhalten und notwendige Ruhezeiten für Rehwild. Ein umstrittenes Thema. Die Zeitschrift und damit der Verband resümiert: Mit diesen Vorschlägen erntet der Minister harsche Kritik bei vielen Jägerinnen und Jägern. „Bei aller Notwendigkeit des durch Klimawandel erforderlichen Waldumbaus dürfen wir unsere naturethischen Grundsätze im Umgang mit unseren heimischen Tierarten nicht über Bord werfen“, wird der Hauptgeschäftsführer des LJV, René Greiner, zitiert. Hauk ist übrigens gelernter Forstwissenschaftler. Nach meiner Einschätzung wachsen derzeit die Konfliktlinien zwischen Forst und Jagd.
Wachsendes Interesse für den Waldrucksack der Stiftung natur+mensch
Schon mehrfach haben wir über das wachsende Interesse am Lernort-Natur-Waldrucksack berichtet, der das erlebnisorientierte Lernen über die Natur unterstützt. Initiatoren und Partner sammeln sich immer wieder auch dazu in Service-Clubs wie Lions und Rotary. Das bezieht sich auf eines der wichtigen Projekte der Stiftung natur+mensch, die auch Absender unseres Blogs und dieses Newsletters ist. So überreichten jetzt im Kreis Herzogtum Lauenburg auf dem liebevoll dekorierten Schulacker der Schule am Steinautal in Büchen die Rotarier Andreas-Peter Ehlers und Uwe Asmuß die Rucksäcke an die Vertreterinnen und Vertreter der Grundschulen aus Geesthacht, Lütau, Wohltorf, Breitenfelde, Escheburg und Büchen. Schulleiterin Silke Laskowski begrüßte die Gäste und sorgte mit viel Engagement für einen würdigen Rahmen der Übergabe. Bereits im vorletzten Jahr hatte Rotary dort zwölf Schulen mit dem Vorgängermodell – dem Lernort-Natur-Koffer – ausgestattet. Mit den neuen Rucksäcken, die die moderne Nachfolgeversion der Stiftung natur+mensch darstellen, verfügen nun alle 18 teilnehmenden Grundschulen im Kreis über die naturnahe Lehrmittelausstattung. „Mit dem Lernort-Natur-Rucksack können Kinder wieder unmittelbare Naturerfahrung sammeln – das ist heute wichtiger denn je“, betonte Andreas-Peter Ehlers. Die Ausstattung enthält didaktisches Material für den Unterricht sowie praktische Hilfsmittel für Naturerkundungen im Wald, auf Wiesen und Feldern. Sie wurde von der Jägerstiftung natur+mensch entwickelt und wird bundesweit in Schulen und Kitas eingesetzt.
In Sachen Natur ist dieser Club übrigens besonders aktiv. So konnten wir bereits in unserem Blog über den aufwendigen Bau einer Bienenburg am Rande eines Naturerlebniszentrums in Mölln berichten. Das ist ein an sich nachahmenswertes Projekt für Gruppen, die sich (wie wir) für Natur, Artenschutz und Biodiversität einsetzen.
Der zitierte Andreas-Peter Ehlers ist übrigens auch Präsident der internationalen Vereinigung von Rotariern, die Anfang August zum Jahrestreffen der „International Rotary Fellowship of Hunters“ im Münsterland einladen.
Bleiben wir kurz international: In England findet am Wochenende die „Game fair“ statt, eine traditionelle Messe wie unsere „Jagd und Hund“ in Deutschland. Das ist nicht nur Messebetrieb, sondern auch für viele Passionierte eine Zusammenkunft für Jagd, Fischerei, Falknerei – alles im Zusammenhang mit dem traditionellen ländlichen Leben dort. In einem Vorbericht darüber lese ich diesen Hinweis: „Die Jagdpolitik kann ein sensibles und emotionales Thema sein, das man mit vielen Politikern ansprechen muss, von denen viele keinerlei Erfahrung oder Kenntnisse über die Jagdszene haben.“ Vielleicht schauen Sie mal rein: https://thegamefair.org/
Auch wir arbeiten daran, weiter das Gespräch mit unserer Politik zu pflegen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein gutes Wochenende, das bei dem einen oder anderen unserer Leserschaft in die zitierten Familienferien zur Sommerzeit fällt.
Ihr Jost Springensguth
Redaktionsleitung / Koordination
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