Heute im Blog: Unsere Wochenkolumne mit der Hoffnung auf politische Sicherheit
- Jost Springensguth
- vor 6 Tagen
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Aktualisiert: vor 4 Tagen

Liebe Leserin, lieber Leser,
in dieser Woche blicken wir mehr nach vorn als zurück: Wahrscheinlich gibt es bis spätestens Mittwoch grünes Licht für die Koalition von Union und SPD. Dann wissen wir hoffentlich endgültig, wie es politisch in unserem Lande weitergeht. Bisher wurde beim Koalitionsvertrag alles nur unter Vorbehalt veröffentlicht. Es gibt nur vermutete oder auch teilweise verworfene Kabinettslisten. Nur die Zahl, welche Ministerien von CDU, CSU und SPD geführt werden sollen, steht fest. Unser außen- und wirtschaftspolitisches Umfeld schreit nach Lösungen und mehr Sicherheit. Friedrich Merz, wenn er denn am 6. Mai durch das Parlament gewählt wird, steht dann als Kanzler vor großen Aufgaben. Weiter gehen wir im Folgenden auf ein paar Themen ein, die mit unserer Jagd direkt und indirekt zu tun haben. Die Verbindung von Politik, ländlichem Raum, Landwirtschaft und Jagd verkörpert unser Gründer der Jägerstiftung natur+mensch, Jochen Borchert. Er ist in dieser Woche 85 geworden. Das ist ein Anlass, auf die Lebensleistung dieses Politikers und ehemaligen Verbandspräsidenten zu schauen.
Der politische Betrieb bleibt auch in der Woche nach Ostern reduziert. Alles blickt natürlich darauf, wie die Parteivorsitzenden von CDU, SPD und CSU die im Koalitionsvertrag vereinbarte Ressortzuteilung mit Namen füllen. Das wird offiziell nicht vor Montag (kleiner Parteitag CDU) oder Dienstag der kommenden Woche (Abschluss Mitgliedervotum SPD) geschehen. Obwohl die CSU formal dem ausgehandelten Regierungsvertrag zugestimmt hat, werden auch ihre drei Ministerialen für Innen, Forschung und Landwirtschaft zeitgleich offiziell benannt. Bis zu den beiden genannten Stichtagen wird es weiter nur Spekulationen über alte oder neue kursierende Listen geben. Alles hängt im Kern natürlich vom Votum der rund 360.000 Mitglieder der SPD ab. Ein Fünftel der Mitglieder muss sich mindestens beteiligen. Es wäre eine Überraschung, wenn das nicht klappen würde, zumal das auch eine Schicksalsfrage für Lars Klingbeil wäre, wenn ihm die Genossen oberhalb der notwendigen Quoren nicht folgen würden.
Bleiben wir noch mal beim Rätselraten um die Ministerriege. Lediglich der CDU-Generalsekretär Linnemann hat für sich und damit auch für die Öffentlichkeit Klarheit geschaffen. Er will nicht dabei sein, obwohl Merz ihm alle Optionen am Kabinettstisch offengehalten hat. Das ihm offensichtlich zugedachte Wirtschaftsministerium wird so klein geschnitten, dass er (zunächst einmal?) für sich im Kabinett Merz keine Perspektive sieht. Er hatte es mehr auf ein Superministerium mit Wirtschaft und Sozialem abgesehen, da diese großen Themen nach seiner Auffassung nicht isoliert anzugehen sind, sondern nur im Zusammenhang. Außerdem hat sich der Wirtschaftsmann aus Paderborn im Ausschuss „Arbeit und Soziales“ profiliert und Ideen für die Flexirente entwickelt. Seine Ambitionen hat ihm wohl Klingbeil zusammen mit Heil in den Koalitionsverhandlungen durch die ausgehandelte Ressorttrennung für die Bereiche Wirtschaft und Soziales zerschossen. So will sich Linnemann weiter als Generalsekretär der Profilschärfe für die CDU widmen. Jedenfalls konnte er damit überzeugend begründen, warum er seinen Parteivorsitzenden und designierten Kanzler erneut auf die Suche nach dem richtigen Mann oder die richtige Frau für das Wirtschaftsministerium geschickt hat. Der neueste Name auf den Spekulationslisten neben Jens Spahn, der auch als Fraktionschef gehandelt wird: Katharina Reiche. Sie gehörte dem Bundestag bis 2015 an, war Hauptgeschäftsführerin des Verbandes kommunaler Unternehmen und arbeitet jetzt als Managerin im E.ON-Konzern. Das wäre eine vielversprechende Alternative für Merz.
Schon ein 100-Tage-Programm für das Landwirtschaftsministerium?
Auf das Thema Landwirtschaft, ländlicher Raum und damit auch Zuständigkeit für Jagen, Fischerei und Forst sind wir an dieser Stelle schon mehrfach eingegangen. Obwohl noch nicht bekannt ist, wer das Amt übernimmt, soll in der Union angeblich bereits ein 100-Tage-Programm vorliegen. Unter anderem spekuliert das die BILD-Zeitung mit der Kernaussage, dass die zentralen Punkte der Politik von Noch-Minister Cem Özdemir rückabgewickelt werden. Oben auf der Liste steht dabei natürlich die Rücknahme der Agrardiesel-Besteuerung. Gleich danach folgt die schnelle Absenkung des Schutzstatus für den Wolf, die aus dem EU-Recht in nationales Recht überführt werden soll. Zitiert wird der CDU-Abgeordnete Steffen Bilger dort weiter mit der Absicht, das Werbeverbot für angeblich ungesunde Lebensmittel wieder abzuräumen und das Düngemittelrecht so zu reformieren, dass „unser Wasser geschützt ist und unnötige Bürokratie vermieden wird“. Weiter soll das Agrarstatistikgesetz so angefasst werden, dass mit 90 Millionen Entlastung gerechnet wird. Bilgers Stichworte: „Weniger Gängelung, mehr Praxistauglichkeit, finanzielle Entlastung, weniger Bürokratie und mehr Freiraum”. Dann hoffen wir mal, dass das alles aufgeht, ohne zu wissen, wer Ressortchef wird.
So warten wir ab, wer oder welche Dame aus der CSU das umsetzen soll. Heißeste Kandidatin ist nach dem aktuellen Stand verbreiteter Spekulationen Michaela Kaniber, die aktuelle Staatsministerin für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus. Die direkt für den Kreis Berchtesgadener Land in den Bayerischen Landtag gewählte 47-jährige Ministerin gilt als Söder-Vertraute und könnte ein weiteres CSU-Gesicht neben Alexander Dobrindt und Dorothee Bär in Berlin werden. Sie gilt in der CSU als „Bauernflüsterin“. Würde sie es werden, hat der Ministerpräsident ein Personalproblem in München, zumal unverändert Hubert Aiwanger als ungeliebter Koalitionspartner Söders aus dem Kabinett die 100.000 bayerischen Landwirte ständig im Auge hat.
Die Grünen versuchen erst einmal, sich neu zu sortieren
Von den Grünen reden in Berlin in diesen Tagen nur wenige politische Beobachter. Das sind in überwiegender Zahl diejenigen, die in der Politik nach meiner Wahrnehmung auf möglichst vielen Ebenen versuchen, aus meist urbanen Perspektiven und Ansichten die Regeln für das Leben und Wirtschaften auf dem Lande durchzusetzen. Da werden sie wohl auch nicht nachlassen, wie die ersten Bewertungen des Koalitionsvertrages ausfallen. Unser Gastautor Hugo Müller-Vogg stellt in einem Kommentar fest: „Moralisch so überlegen, wie sich Grüne gerne geben, sind sie definitiv nicht.“ Er befasst sich mit dem Verhalten ihrer Spitzenkandidaten nach der Wahlniederlage und dem Verständnis von politischer Glaubwürdigkeit. Wir werden seinen Beitrag in der kommenden Woche in unserem Blog veröffentlichen.
Zahlen zu den Folgen von Wildunfällen und das Thema Kitzrettung

Zum Ende der Woche hat eine Studie zu Wildunfällen mit Versuchen von Unfallforschern zu dem Ergebnis geführt, dass viele Auto- und Motorradfahrer zu Schaden kommen, weil sie sich nicht richtig verhalten. Meist werden die Zahlen von Wildunfällen mit gefallenen Stücken in Statistiken gemeldet. Dabei gibt es unbestritten eine hohe Dunkelziffer. Polizeilich erfasst werden sie in der Regel, wenn Menschen zu Schaden kommen. So verunglücken jährlich fast 3000 Menschen bei Wildunfällen. In der zitierten aktuellen Studie wurden nach diesen Angaben für 2023/2024 genau 2351 Wildunfälle untersucht, bei denen 2771 Menschen verletzt wurden. Von ihnen kamen acht zu Tode. Die Björn Steiger Stiftung konnte damit nachweisen, wie gefährlich Wildunfälle für Auto- und Motorradfahrer sind. Die schweren Folgen treten meist ein, wenn die Fahrer versuchen, dem plötzlich wechselndem Wild auszuweichen und dann in eine gefährlichere Situation geraten, indem sie etwa von der Straße abkommen und mit Bäumen kollidieren oder in Gräben abkommen. Erfahrene Jäger haben schon immer den Rat gegeben, möglicherweise gegen eigenes Empfinden dem Tier nicht auszuweichen, um einen schwereren Schaden auch an Leib und Leben zu vermeiden. Es lohnt sich, die Veröffentlichung der Unfallforscher zu lesen.
Um die Rettung vorwiegend von Rehwild geht es dagegen bei vielen ehrenamtlichen Einsätzen. Unser Autor Christoph Boll schildert in seinem Beitrag „Kitzrettung ist gemeinsame Aufgabe“, mit welchem Engagement in dieser Zeit bundesweit viele Teams mit Drohnen und Infrarotkameras Rehkitze, Junghasen und Gelege von Vögeln vor Verstümmelung und dem Tod durch Mähwerke bewahren. Und er schildert, wie die Jungwildrettung gefördert wird und wie das beantragt werden kann. Aktuell ist das Thema wieder im Frühjahr, wenn die Frühjahrsmahd der Wiesen mit der Brut- und Setzzeit vieler Wildtiere zusammenfällt.
Glückwunsch an Jochen Borchert zum 85. Geburtstag
„Es geht um den Grundsatz und die Stärke des ländlichen Raumes: Jagd geht nicht ohne Bauern, Eigentümer, Waldbesitzer und Fischer – das gilt auch umgekehrt. Ich nenne hier nur die großen Gruppen beispielhaft. Ohne diese Gemeinsamkeit gibt es auch keinen wirkungsvollen Naturschutz.“ Das hat Jochen Borchert bei seiner letzten Rede als Präsident des Landesjagdverbandes 2012 hinterlassen. Aktueller Anlass waren damals die Diskussionen um die politischen Rahmenbedingungen und damit um die Zukunft der Jagd. Das hat sich bis heute nicht geändert. Daran erinnert heute die Jägerstiftung natur+mensch anlässlich des 85. Geburtstags, den Borchert gestern im Kreis seiner „Großfamilie“ und mit Weggefährten in Bochum feiern konnte.
Die Stiftung war von ihm 2005 gegründet worden, um unter anderem durch eine zusätzliche Kommunikation den Interessen der Jagd im Verbund des ländlichen Raumes ein zusätzliches Gewicht zu verleihen. Sein Nachfolger als Vorsitzender der Stiftung, die diesen Blog herausgibt, Georg Graf von Kerssenbrock, erinnert daran, dass das damals zukunftsweisend war und auch heute nicht an Aktualität verloren habe. Insofern sei sein Vorgänger Jochen Borchert mit seiner Stiftungsinitiative ein Visionär gewesen. Es gehe nun unter anderem weiter darum, die Jagd aus ihrem gesellschaftlichen Rechtfertigungsdruck herauszuführen und die Bewirtschaftung der Natur als Handlungsprämisse des Eigentums zu festigen.
Borchert wurde in Nahrstedt bei Stendal geboren, absolvierte eine landwirtschaftliche Lehre, erwarb den Abschluss als Agraringenieur und schloss sein Studium als Diplom-Ökonom ab. Von 1989 bis 2009 war er Mitglied des Deutschen Bundestages und von 1993 bis 1998 Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Als passionierter Jäger war er in Nachfolge von Constantin Freiherr von Heereman lange Jahre im Anschluss an seine Aufgaben als Minister Präsident des Deutschen Jagdschutzverbandes und des NRW-Landesjagdverbandes. In dieser Zeit gründete er die „Jägerstiftung natur+mensch Zukunft stiften“. Zu seinen Ämtern und Aufgaben gehörte zuletzt die Leitung der nach ihm benannten Borchert-Kommission. Sie formulierte aus gegensätzlichen Interessen rund um die Nutztierhaltung heraus Empfehlungen zum Umbau zu zukunftsfesten Haltungsformen von Nutztieren. Das Ergebnis fand übrigens jetzt unter anderem seinen Niederschlag in der aktuellen Koalitionsvereinbarung von Union und SPD.
Borchert ringt stets um vernünftige Lösungen auf der Grundlage von Argumenten. Besonnen, ruhig überlegend, Nüchternheit in der Analyse und ohne Eitelkeit. So war es gestern wieder unter anderem in Stichworten über seine Art und sein stets zielführendes Wirken zu hören.
So verbleibe auch ich ebenfalls mit meinem herzlichen Glückwunsch zum 85. Und mit besten Grüßen an Sie, liebe Leserinnen und Leser
Ihr
Jost Springensguth
Redaktionsleitung / Koordination
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